Altanschließer 2013 – BVerfG

„Altanschließer“ – Wenn nicht gehandelt wird, droht Verjährung. Zahlen müssen dann alle

Nach einer neueren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts will der Abwasserzweckverband trotz drohender Verjährung noch keine Bescheide für die Altanschließer festsetzen. Das hat Verbandsvorsteher Reinhard Mirbach gestern erklärt. Erst soll die anstehende Gesetzesänderung durch den Landtag abgewartet werden. Das ist riskant. Denn wenn die Beiträge verjährt sind, geht das zu Lasten aller anderen Nutzer oder zu Lasten des Steuerzahlers. Die entgangenen Einnahmen müssen dann über Gebühren oder aber über Umlagen der Gemeinden Michendorf und Nuthetal aufgebracht werden.

Noch Ende März hatte der Abwasserzweckverband Mittelgraben in einer turbulenten Sitzung mit der Mehrheit der Michendorfer Vertreter eine Satzungsänderung und damit geringere Anschlussbeiträge für sog. „Altanschließer“ abgelehnt. Für die Investitionen in die Abwasserentsorgung nach der Wende sollen also alle Grundstückseigentümer entsprechend der seit 1. Oktober 2009 geltenden Satzung gleichmäßig herangezogen worden. Wenn nach dieser Satzung bis 1. Oktober 2013 keine Beiträge festgesetzt sind, sind die Ansprüche verjährt.

Trotzdem reagiert der Abwasserzweckverband jetzt auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. April 2013 zu einem bayerischen Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung ein neues Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entwickelt. Dieses Gebot der Belastungsklarheit verlange Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Der Gesetzgeber müsse, – so das Bundesverfassungsgericht – einen Ausgleich schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Pressemitteilung des BVerfG

Im zugrundeliegenden Fall wurde ein Eigentümer (in diesem Fall sogar ein früherer Eigentümer) im Jahre 2004 zwölf Jahre nach Feststellung eines beitragspflichtigen Dachgeschossausbaus zur Kanalherstellungsbeiträgen herangezogen wurde. Die Vorgerichte hatten Festsetzungsverjährung verneint, weil zwei Vorgängersatzungen nichtig waren und erst 2005 eine rechtmäßige Satzung erlassen wurde, die dann rückwirkend zum 1.4.1995 in Kraft gesetzt wurde. Das bayerische Kommunalabgabengesetz enthielt die Bestimmung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bestimmung – die der jahrzehntelangen Rechtsprechung entspricht – für verfassungswidrig erklärt. Eine solche Regelung verstoße gegen das Gebot der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Die Verfassung verlange Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es müsse ein Ausgleich geschaffen werden zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile und dem Interesse der Beitragsschuldner, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang sie zu einem Beitrag herangezogen werden können. Der Gesetzgeber dürfe die Erwartung des Bürgers, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, nicht gänzlich unberücksichtigt lassen. Nach der bayrischen Rechtslage könne jedoch die Verjährung unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

Ähnlich ist die Rechtslage auch in Brandenburg. Auch in Brandenburg entsteht die Abgabepflicht frühestens mit dem Inkrafttreten einer gültigen Satzung. Wenn Satzungen aber wegen Verfahrensfehlern oder anderer Mängel immer wieder für ungültig erklärt werden, kann der Beitrag auch Jahrzehnte nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden.

Der Gesetzgeber habe, so das Bundesverfassungsgericht, allerdings Gestaltungsspielraum. Deshalb werde die entsprechende Vorschrift nicht einfach aufgehoben. Der Gesetzgeber müsse allerdings bis spätestens 1.4.2014 eine neue Regelung schaffen. Er habe dabei mehrere Möglichkeiten, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Er könne z. B. eine absolute Verjährungshöchstfrist vorsehen oder das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen etc. Das Bundesverfassungsgericht hat auch keine näheren Hinweise gegeben, welcher Zeitraum zwischen Vorteilserlangung und Beitragserhebung maximal vertretbar wäre. Deshalb wäre es gut, wenn der Brandenburger Landtag schnellstmöglich Klarheit schaffen würde.

Übrigens: An die Gemeinde Nuthetal sowie an Institutionen, etwa das Getreideinstitut oder die Gewog werden Bescheide jetzt schon versandt. Das Nuthetaler Moratorium gilt nur für Bescheide an Bürger.